Interview mit Dr. Lilian Schwich von cylib GmbH

Cylib verwandelt verbrauchte Lithium-Ionen-Batterien in hochwertige Rohstoffe – und das in ganz Europa. Mit einer innovativen, wasserbasierten Recyclingtechnologie, die alle Bestandteile von Altbatterien zurückgewinnt, reduziert das Scale-up CO₂-Emissionen und stärkt nachhaltige, regionale Lieferketten. Unterstützt von erneuerbarer Energie, extern geprüfter Ökobilanz und hoher Recycling-Effizienz, treibt cylib die Energiewende voran – hochwertig, zukunftsweisend und kreislauforientiert.

Idee und Motivation

Was hat euch inspiriert, an einer Lösung für die Rückgewinnung aller Elemente aus Lithium-Ionen-Batterien zu arbeiten?

Dr. Lilian Schwich: Während meiner Forschung an der RWTH Aachen wurde mir klar, dass die bestehenden Recyclingprozesse weit vom Ideal entfernt waren. Sie waren ineffizient, wenig nachhaltig und wurden oft nur als Abfallmanagement betrachtet, anstatt als Chance zur Wertschöpfung. Diese Erkenntnis wurde zur Grundlage für unsere Vision: Batterierecycling nicht als Entsorgung zu sehen, sondern als Möglichkeit, strategische Rohstoffe effizient zurückzugewinnen. Besonders frustrierend war, dass wertvolle Materialien wie Lithium und Graphit bei traditionellen Recyclingmethoden oft verloren gehen.

Warum habt ihr euch entschieden, die cylib GmbH in NRW zu gründen? Welche Vorteile bietet euch der Standort?

Dr. Lilian Schwich: NRW und insbesondere Aachen bieten ideale Voraussetzungen für unser Unternehmen. Die Nähe zur RWTH Aachen, wo wir unsere Technologie entwickelt haben, ermöglicht uns den kontinuierlichen Zugang zu Forschung und Talenten. Der im Aufbau befindliche Standort im Chempark Dormagen bietet hervorragende Infrastruktur und die strategische Lage im Herzen Europas. Die Nähe zu führenden Chemieunternehmen und die etablierten industriellen Strukturen in NRW schaffen ein optimales Umfeld für die Skalierung unserer Technologie.

 

Technologie und Innovation

Wie hebt sich euer End-to-End-Konzept von anderen Recycling-Technologien ab?

Dr. Lilian Schwich: Unser innovatives, wasserbasiertes Verfahren mit deutlich reduziertem Chemikalieneinsatz ermöglicht die Rückgewinnung aller wesentlichen Batteriebestandteile. Im Mittelpunkt steht unser Lithium-First-Ansatz, der als vielversprechendste Methode im Batterierecycling gilt. Dieser Prozess priorisiert die Rückgewinnung von Lithium und optimiert gleichzeitig die Ressourceneffizienz. Ein weiterer Vorteil ist die Flexibilität unserer Technologie: Sie kann Batterien unterschiedlicher chemischer Zusammensetzungen und andere Zelltypen verarbeiten.

Mit welchen technischen Herausforderungen wart ihr bei der Entwicklung konfrontiert und wie habt ihr sie gelöst?

Dr. Lilian Schwich: Die größte Herausforderung bestand darin, den im Rahmen der universitären Forschung entwickelten Prozess für industrielle Anforderungen weiterzuentwickeln. Wir mussten die Skalierbarkeit gewährleisten, ohne die Effizienz zu verlieren. Unsere Partnerschaften mit Branchenführern waren entscheidend, um unsere Technologie frühzeitig im Pilotmaßstab zu validieren. Die Inbetriebnahme unserer Pilotlinie in Aachen 2023 war ein wichtiger Meilenstein, um diese Herausforderungen zu meistern.

 

Gründung und Aufbau

Wie verlief euer Weg von der Idee zur Gründung?

Dr. Lilian Schwich: Nach der Einreichung meiner Dissertation gründete ich gemeinsam mit Paul Sabarny und meinem Mann, Dr. Gideon Schwich, cylib im Jahr 2022. Paul und ich hatten bereits während unserer Forschung am Institut für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling an der RWTH Aachen die technologische Basis entwickelt. Gideon trieb in der Frühphase die Kommerzialisierung der Technologie voran. Heute zählen wir mehr als 120 Mitarbeitende und verfügen über Strukturen, die nicht nur eine enge Zusammenarbeit mit OEMs ermöglichen, sondern auch Zertifizierungen nach DIN ISO 9001, 14001 und 50001 sowie die Anerkennung als Entsorgungsfachbetrieb sichern.

Gab es schwierige Momente, und wie habt ihr diese gemeistert?

Dr. Lilian Schwich: Die Transformation von der Forschung zur industriellen Anwendung war sicherlich herausfordernd. Wir mussten beweisen, dass unser Ansatz nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern auch wirtschaftlich tragfähig ist. Die COVID-19-Pandemie und geopolitische Spannungen haben uns jedoch gezeigt, wie wichtig lokale Wertschöpfungsketten sind. Das hat unsere Mission nur verstärkt. Durch effizientes Recycling reduzieren wir die Abhängigkeit von Importen und schaffen eine lokale Versorgung mit strategischen Materialien.

Wie habt ihr eure Finanzierung aufgestellt? Gab es Unterstützung durch Förderprogramme?

Dr. Lilian Schwich: Wir konnten über 90 Millionen Euro an Eigenkapital und Fördermitteln sichern. Besonders stolz sind wir auf die größte Series-A-Finanzierungsrunde im europäischen Batterierecycling, bei der wir 55 Millionen Euro einwerben konnten. Diese wurde von renommierten Investoren aus der Automobilbranche unterstützt.

Bei den Förderprogrammen haben uns mehrere wichtige Programme unterstützt: Das Programm „Grüne Gründungen.NRW" fördert unser Projekt „AuBa @C" zur Automatisierung der Batteriedemontage. Über das Regionale Wirtschaftsförderprogramm (RWP) des Landes NRW konnten wir unsere Pilotanlage finanzieren. Und durch „Produktives.NRW" erhielten wir eine zweistellige Millionen-Euro-Zuschusszusage für unsere First-of-a-Kind-Anlage.

Die Kombination aus privaten Investitionen und diesen gezielten Fördermitteln ermöglicht es uns, unsere ambitionierten Pläne umzusetzen.

 

Erfolge und Zukunft

Auf welchen Erfolg seid ihr besonders stolz?

Dr. Lilian Schwich: Unsere bisherigen Erfolge zeigen, wie sich unser Team stetig weiterentwickelt und zunehmend an Professionalität gewinnt. Ein wesentlicher Meilenstein sind dabei die strategischen Partnerschaften mit führenden Unternehmen aus der Automobil Zulieferer Branche. Durch diese Kooperationen können wir Marktanforderungen frühzeitig erkennen und innovative, maßgeschneiderte Lösungen entwickeln, die echten Mehrwert schaffen. 

Wo seht ihr cylib in den nächsten drei bis fünf Jahren? Welche Weiterentwicklungen plant ihr aktuell?

Dr. Lilian Schwich: Unsere großindustrielle Recyclinganlage im Chempark Dormagen soll ab 2027 in Betrieb gehen und in der ersten Ausbaustufe bis zu 10.000 Tonnen Schwarzmasse pro Jahr verarbeiten können. Der Markt wächst rasant: Laut Fraunhofer ISI werden die jährlich anfallenden Altbatterien in Europa von derzeit 200.000 Tonnen auf 2,1 Millionen Tonnen bis 2040 steigen. Wir sind bereit, diesen Bedarf zu decken, und planen anschließend, unsere Kapazitäten weiter in Europa auszubauen. 

 

Tipps für Gründer

Was war die wichtigste Lektion, die ihr als Gründerinnen und Gründer gelernt habt?

Dr. Lilian Schwich: Baut Netzwerke auf. Unser Kern ist unser Prozess, um diesen Kern zu industrialisieren, müssen wir vieles machen, was andere auch schon gemacht haben. Holt euch dabei Hilfe durch Netzwerke, Partnerschaften und gute Mitarbeiter. Fokussiert eure Anstrengungen auf das, was euch abhebt.

Welche Ratschläge würdet ihr anderen Gründenden mitgeben?

Dr. Lilian Schwich: Wir stehen erst am Anfang einer spannenden Reise. Die Kreislaufwirtschaft bietet enorme Chancen: ökologisch, ökonomisch und gesellschaftlich. Mein Rat: Habt eine klare Vision, baut starke Partnerschaften auf und bleibt wissenschaftlich fundiert. Wichtig ist auch, frühzeitig zu validieren und nicht nur im Labor zu bleiben, sondern den Schritt zur industriellen Anwendung zu wagen.