Dr. René Grzeszick, Dr. Sascha Feldhorst und Sascha Kaczmarek
„International­isierung war eine Anforderung des Markts“

„Unser Anspruch ist es, den weltweit umfangreichsten Analysewerkzeugkasten für menschliche Tätigkeiten bereitzustellen, der das Arbeitsleben der gemessenen Menschen kontinuierlich verbessert.“ Das sagt Co-Gründer Dr. Sascha Feldhorst.

MotionMiners: Wo Menschen als Sensoren für bessere Prozesse dienen

Dr. Sascha Feldhorst

Wie aus einer Idee beim Joggen ein international agierendes Unternehmen mit Hauptsitz in Dortmund geworden ist, das erzählt Dr. Sascha Feldhorst – Co-Gründer der MotionMiners GmbH.

Die besten Ideen entstehen … beim Joggen

Seit 1995 verzeichnet die Logistikbranche stetig steigende Umsätze, zuletzt 279 Mrd. Euro im Jahr 2019 allein in Deutschland* mit rund 3 Mio. Beschäftigten**. Sie ist hierzulande, gemessen an der Beschäftigtenzahl, der größte Wirtschaftsbereich nach der Automobilbranche und dem Handel.** Die Haupttätigkeitsfelder lassen sich in drei Bereiche gliedern: Lager- und Umschlagsberufe mit ca. 53 %, Transport- und Zustellberufe mit ca. 26 % sowie kaufmännische und Verwaltungsberufe mit ca. 21 %. Viele Tätigkeiten in der Logistik zeichnen sich durch wiederkehrende körperliche Bewegung und physische Belastungen aus.

Ein ideales Umfeld für die Geschäftsidee von MotionMiners: MotionMiners analysiert Arbeitsprozesse, z. B. für Logistikunternehmen. Dafür werden Menschen und Umgebungen mit Sensoren ausgestattet, mit deren Hilfe anonymisiert Daten zu Köperhaltung, wiederkehrenden Prozessen, genutzten Hilfsmitteln, benötigter Zeit u. v. m. erfasst werden. Mit Machine-Learning lassen sich aus den Daten Prozessinformationen und Kennzahlen gewinnen und Optimierungspotenziale identifizieren. Daraus werden Empfehlungen zur Verbesserung der Ergonomie und Effizienz dieser Prozesse abgeleitet.

Große Pläne: Das Arbeitsleben der Menschen weltweit verbessern

Dr. Sascha Feldhorst, Sascha Kaczmarek und Dr. René Grzeszick haben große Pläne mit ihrer Firma: „Unser Anspruch ist es, den weltweit flexibelsten und umfangreichsten Analysewerkzeugkasten für menschliche Tätigkeiten bereitzustellen, der nicht nur die tägliche Arbeit der Analysten, sondern auch das Arbeitsleben der gemessenen Menschen kontinuierlich verbessert.“

Aber erstmal einige Schritte zurück: Die initiale Idee zu dem, was MotionMiners heute ist, kam Sascha Feldhorst im Dezember 2014 beim Joggen, beim Blick auf den mitgeführten Fitnesstracker. Hm, ob sich nach ähnlichem Prinzip auch für Unternehmen Effizienzanalysen erstellen lassen? Zuerst entwickelte er, damals noch als Promovierender, aus der Frage das Thema für seine Dissertation: "Automatische Aktivitäts- und Kontexterkennung zur Analyse des Kommissionierprozesses".

„Da große und damit auch international aufgestellte B2B-Kunden unsere Kernzielgruppe sind, war Internationalisierung nie eine Frage der Planung, sondern eine ganz klare Anforderung des Markts.“
Dr. Sascha Feldhorst

Um aus der Idee und mit dem Wissen der universitären Forschung ein marktreifes Produkt zu entwickeln, galt es Finanzmittel einzuwerben. Zur Finanzierungsförderung hat sich das Team für einen EXIST-Forschungstransfer des Bundes beworben, der nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Sachmittel und Coaching bot.

In NRW gab es Hilfe vom Digital.Hub Logistics und Digital. Die Initiative des Fraunhofer IML für Unternehmen und Gründende mit Sitz in Dortmund fördert die Kooperation zwischen KMU und Start-ups gezielt. Das Ergebnis für MotionMiners ist die Kooperation mit dem Arnsberger Traditionsunternehmen META-Regalbau.

Parallel zur Einwerbung von Fördermitteln wurde ein Technologie-Demonstrator entwickelt und auf einer Messe dem Fachpublikum vorgestellt. Aus den Kontakten sind Kunden für Pilotprojekte geworden.

Namhafte Kunden aus Mode und Automotive

Knapp drei Jahre nach dem ideengebenden Jogging konnte im Oktober 2017 endlich gefeiert werden: Die MotionMiners GmbH wurde im Handelsregister eingetragen, und das Unternehmen konnte namhafte Firmen aus den Bereichen Mode und Automotive als Kunden gewinnen. „Besonders spannend für uns war es, dass die ersten Kunden zwar alle deutsche Unternehmen waren – allerdings mit internationalen Produktionsstätten. Wir waren mit unserer Technologie somit direkt für einen deutschen Konzern in Tschechien im Einsatz.“, sagt Sascha Feldhorst. „Da große und damit auch international aufgestellte B2B-Kunden unsere Kernzielgruppe sind, war Internationalisierung nie eine Frage der Planung, sondern eine ganz klare Anforderung des Markts. Wir waren bislang schon in über zwölf Ländern im Einsatz.“

Reiste man vor der Corona-Pandemie mit der Hardware im Koffer noch persönlich zum Kunden und richtete die Applikationen selbst ein, muss dies nun teilweise remote vom Standort Dortmund aus erfolgen. Derzeit werden u.a. Kunden von Italien bis Malaysia betreut, denen das mittlerweile knapp 30 Mitarbeitende zählende Team telefonisch und digital bei der Implementierung mit Rat und Tat zur Seite steht.

Italien?! Das brachte die MotionMiners seinerzeit ins Schwitzen und rückblickend zum Lächeln. Auch, wenn man sich vermeintlich gut in der Logistikbranche auszukennen scheint, hatte man plötzlich ein Problem mit der eigenen Logistik: Über 200 Sonderbatterien wurde der Flug nach Italien verwehrt, die dringend für einen Kundentermin am Folgetag gebraucht wurden. Die Beschaffung in Italien war unmöglich. Was tun? Ein Jobprofil wurde an Kuriere geschickt: „Was: Transport von 250 Batterien. Wo: von Dortmund nach Rom. Wann: jetzt!“. Die dritte Anfrage war erfolgreich und so gingen die Batterien zwei Stunden später auf die Reise und waren rechtzeitig zum Kundentermin in Rom.

Corona: Die Geschäftsidee muss Anpassungsfähig sein

Und so, wie man für diese kleine Herausforderung eine Lösung fand, beweist das Team auch in Corona-Zeiten, was echte Anpassungsfähigkeit der Geschäftsidee bedeutet: Mit der vorhandenen Technologie und Erfahrung begann im Mai 2020 die Entwicklung einer Applikation, die Unternehmen und ihre Mitarbeitenden bei der Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln unterstützt. MotionMiners bietet damit ein Tool zur Infektionsprävention: Infektionsketten können rückverfolgt werden, Mitarbeitende werden in Echtzeit informiert, wenn Kontaktzeiten überschritten werden oder Räumlichkeiten an ihre Kapazitätsgrenze stoßen. Ein im wahrsten Sinn des Wortes ausgezeichnetes Ergebnis: Aus 2.200 Unternehmen weltweit wurde die MotionMiners-Lösung bei der Santander-X-Tomorrow-Challenge in der Kategorie „Re-Invent“ als „Neuerfindung des Arbeitslebens“ ausgewählt.

Und noch einen Grund zur Freude hatte das Team von MotionMiners im September 2020: Es wurde von Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart beim Landeswettbewerb „OUT OF THE BOX.NRW“ als Gewinner und eines der besten digitalen Start-ups 2020 aus Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch!

*Fraunhofer (Fraunhofer SCS); Bundesvereinigung Logistik, Dez. 2019
**https://www.bvl.de/service/zahlen-daten-fakten/umsatz-und-beschaeftigung