
v.l.n.r.: Laura Mati, Julian Gruber, Dr. Steffen Runge
Interview mit Dr. Steffen Runge, Laura Mati und Julian Gruber von der ForesAIght.ai GmbH
foresAIght.ai GmbH ist ein Kölner Start-up, das auf KI-gestützte Prognosen für Logistik- und Produktionsunternehmen spezialisiert ist. Das Gründungsteam hat eine Plattform entwickelt, die Unternehmen hochpräzise Vorhersagen als „Forecasting as a Service“ liefert. Das Besondere: foresAIght kombiniert aktuelle Forschung mit praktischer Anwendbarkeit und macht modernste KI einfach nutzbar – besonders für kleine und mittelständische Unternehmen. Ziel ist es, operative Prozesse effizienter, nachhaltiger und planbarer zu gestalten – von der Personal- und Lagerplanung bis hin zum Materialeinkauf.
Idee und Motivation
Was hat euch inspiriert eine Prognosesoftware für Logistik zu entwickeln?
Laura: In unserem Netzwerk haben uns erfahrene Logistik-Manager mit jahrzehntelanger Berufserfahrung immer wieder geschildert, wie schwierig und ungenau Prognosen in diesem Bereich sind. Das war für uns ein Aha-Erlebnis – hier gab es ein drängendes Problem, das nach einer besseren Lösung verlangte. Gleichzeitig hat einer unserer Mitgründer, Julian, im Rahmen einer Weiterbildung an einem Machine-Learning-Projekt gearbeitet und dabei erkannt, welches enorme Potenzial KI gerade für Forecasting in der Logistik hat. Diese Kombination aus einem klar erkannten Bedarf in der Praxis und neuen technischen Möglichkeiten hat uns letztlich dazu inspiriert, foresAIght.ai ins Leben zu rufen.
Julian: Genau. Wir haben gesehen, dass in der Logistik oftmals noch mit veralteten Methoden geplant wird – mit allen Folgen wie Überbeständen, Engpässen oder teuren Ad-hoc-Maßnahmen. Uns war schnell klar, dass wir mit modernen KI-Algorithmen viel präzisere und verlässlichere Prognosen liefern können. Die Aussicht, damit die Logistik effizienter und planbarer zu machen, hat uns unglaublich motiviert und den Anstoß zur Gründung gegeben.
Warum habt ihr euch entschieden ForesAIght in NRW zu gründen? Welche Vorteile bietet euch der Standort – z. B. in Bezug auf Netzwerk, Förderung oder Märkte?
Steffen: NRW war für uns ganz klar der ideale Standort. Ich habe an der Universität zu Köln promoviert und das Start-up-Ökosystem in Nordrhein-Westfalen – und speziell in Köln – bietet uns hervorragende Bedingungen. Wir haben Zugang zu einem starken Netzwerk: vom Gateway Exzellenz Start-up Center der Uni Köln über Startport – eine super Innovationsplattform für Logistik-Start-ups die wir empfehlen können – bis hin zum Digital Hub Logistik in Dortmund. Diese Netzwerke und Förderangebote haben uns in der Gründungsphase sehr geholfen. Gleichzeitig ist NRW als Standort für unsere Zielbranchen perfekt – gerade im Rheinland sitzen viele Logistik- und Industrieunternehmen, die von unseren Lösungen profitieren können. Kurz gesagt: Hier in NRW haben wir sowohl die richtigen Kontakte als auch den unmittelbaren Zugang zum Markt, was unseren Weg deutlich begünstigt hat. Das heißt natürlich nicht, dass es nicht auch andere tolle Ökosysteme in anderen Bundesländern gibt.
Technologie und Innovation
Auf welcher technologischen Grundlage basiert eure Plattform, und was unterscheidet euren Ansatz von bestehenden Lösungen am Markt?
Julian: Unsere Plattform basiert auf fortschrittlichen Methoden des maschinellen Lernens – speziell im Bereich Zeitreihenanalyse. Vereinfacht gesagt nutzen wir Künstliche Intelligenz, um komplexe Muster in historischen Daten zu erkennen und zukünftige Entwicklungen präzise vorherzusagen. Dafür kombinieren wir verschiedene Algorithmen (unter anderem Deep-Learning-Modelle) und reichern die historischen Unternehmensdaten mit externen Einflussfaktoren an. Tatsächlich fließen über 500 mögliche externe Variablen in unsere Prognosen ein – von Wetterdaten über Kalender- und Saisoneffekte bis hin zu wirtschaftlichen Indikatoren –, um wirklich alle relevanten Faktoren abzudecken.
Was uns von anderen Lösungen unterscheidet, ist vor allem unser „Forecasting as a Service“-Ansatz – also die Bereitstellung fertiger Prognosen als externen Service. Unsere Kunden müssen keine eigene Software installieren oder selbst Data-Science-Kompetenz aufbauen. Sie stellen uns einfach die relevanten Daten zur Verfügung, und wir liefern ihnen daraufhin fertige Prognosen – bei Bedarf nahtlos integriert in ihre bestehenden Systeme. Zudem setzen wir nicht auf ein allgemeines Einheitsmodell, sondern entwickeln für jeden Anwendungsfall ein maßgeschneidertes KI-Modell, das genau auf die jeweilige Firma und Fragestellung zugeschnitten ist. Diese Modelle lernen kontinuierlich aus neuen Daten hinzu und passen sich Veränderungen an. Dadurch erreichen wir Prognosegenauigkeiten von 90–95 Prozent, was deutlich über dem liegt, was konventionelle Methoden schaffen. Kurz: Wir machen modernste KI-gestützte Vorhersagen für unsere Kunden einfach nutzbar – ganz ohne technische Einstiegshürden.
Mit welchen technischen Herausforderungen wart ihr bei der Entwicklung konfrontiert – und wie habt ihr sie gelöst?
Steffen: Eine Herausforderung war die hohe Anpassungsfähigkeit unserer KI. Jeder Kunde hat etwas andere Daten und Fragestellungen, sei es in der Logistik oder in der Produktion. Wir mussten also sicherstellen, dass unsere Plattform für sehr unterschiedliche Anwendungsfälle robuste Ergebnisse liefert. Gelöst haben wir das durch eine modulare Architektur und viele Tests: Unsere Modelle wählen automatisch die optimalen Parameter für den jeweiligen Use Case und wir haben einen Prozess etabliert, der kontinuierlich aus neuem Feedback lernt. So konnten wir erreichen, dass unsere Lösung gleichermaßen flexibel wie präzise arbeitet.
Gründung und Aufbau
Wie verlief euer Weg von der Idee zur Gründung?
Julian: Der Weg zur Gründung hat sich aus mehreren Puzzleteilen zusammengesetzt. Im Laufe des Jahres 2023 habe ich im Rahmen eines Advanced-Analytics-Programms an einer KI-Idee gearbeitet. Steffen und ich kamen darüber intensiv ins Gespräch – er hatte in seiner Promotion viel über Datenanalyse und Machine Learning gelernt, und wir merkten schnell, dass wir unsere Fähigkeiten ideal kombinieren können. Gemeinsam haben wir die Vision entwickelt, KI-basierte Prognosen als Service anzubieten, und begonnen, erste Prototypen zu bauen. Wenig später stieß Laura dazu. Als sie von unserer Idee hörte, erkannte sie sofort das große Potenzial. Mit ihrem Hintergrund in Business Development und Strategie half sie uns, aus der technischen Vision ein tragfähiges Geschäftsmodell zu formen. Ende 2024 gründeten wir foresAIght.ai offiziell. Was uns alle verbindet, ist die Überzeugung, mit unserer Lösung ein reales Problem zu adressieren und Unternehmen echten Mehrwert zu liefern – genau dieses gemeinsame Ziel treibt uns seit Beginn an.
Gab es schwierige Momente, und wie habt ihr diese gemeistert?
Julian: Oh ja, die gab es. Eine der größten Hürden ganz am Anfang war, die allerersten Kunden zu gewinnen. Als frisch gegründetes Start-up ohne Referenzen mussten wir Unternehmen finden, die visionär und mutig genug waren, etwas Neues auszuprobieren. Da viele KMU bei neuen Technologien eher vorsichtig sind, war viel Überzeugungsarbeit gefragt. Zum Glück konnten wir auf Mentoren und Branchenexperten in unserem Netzwerk zählen, die an unsere Vision glaubten und uns geholfen haben, die richtigen Kontakte für erste Pilotprojekte zu knüpfen. Nichtsdestotrotz mussten wir in Gesprächen oft erst Vertrauen aufbauen. Ein Satz, den wir anfangs oft hörten, war: „Ich glaube nicht, dass eure KI das wirklich kann.“ Um diese Skepsis zu überwinden, haben wir verschiedene Ansätze gewählt. Einige Interessenten ließen sich durch Backtesting überzeugen – wir haben also deren historische Daten genommen und mit unserer KI rückwirkend Prognosen erstellt, um zu zeigen wie nah unsere Prognosen an der tatsächlichen Entwicklung lagen. Andere wollten lieber einen kleinen Pilotlauf sehen, um die Ergebnisse live zu erleben. Indem wir uns auf die Bedürfnisse der einzelnen Kunden eingestellt haben, konnten wir nach und nach das Vertrauen gewinnen. Nachdem die ersten Projekte erfolgreich waren und wir konkrete Ergebnisse vorweisen konnten, wurde es deutlich leichter – der Knoten war geplatzt, und wir konnten die anfänglichen Zweifel hinter uns lassen.
Wie habt ihr eure Finanzierung aufgestellt? Gab es Unterstützung durch Förderprogramme?
Steffen: Bis jetzt haben wir unsere Finanzierung sehr schlank gehalten. Wir drei Gründer haben anfangs eigenes Kapital und vor allem viel Zeit investiert, um foresAIght.ai aufzubauen. Außerdem war es uns wichtig, so früh wie möglich erste Umsätze zu erzielen, um das Unternehmen aus eigenen Erlösen mitzufinanzieren. Unterstützung durch Förderprogramme haben wir ebenfalls genutzt: So haben wir zum Beispiel das EXIST-Gründungsstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) erhalten, was uns besonders bei der Entwicklung des Prototyps und der Ausarbeitung des Businessplans geholfen hat. Die EXIST-Förderprogramme sind eine super Hilfe für Start-ups in Deutschland. Außerdem sind wir Teil des Gateway ESC der Uni Köln, wo wir von Coaching und Netzwerkkontakten profitieren konnten. Bislang sind wir ohne großes externes Investment ausgekommen – wir wollten erst einmal unser Geschäftsmodell weiterentwickeln und erste Marktresonanz erzeugen. Perspektivisch schließen wir weitere Fördermittel oder Investoren nicht aus, aber wir wollten bewusst unabhängig starten. Diese solide, kombinierte Finanzierungsbasis aus Eigenmitteln, frühen Einnahmen und Förderunterstützung hat uns ermöglicht, in Ruhe an unserem Produkt zu arbeiten und zu wachsen.
Erfolge und Zukunft
Auf welchen Erfolg seid ihr besonders stolz?
Julian: Da gibt es einige Meilensteine, aber besonders stolz sind wir auf ein konkretes Projekt in der Logistik, bei dem wir eindrucksvoll zeigen konnten, was unsere Lösung leisten kann. Einer unserer Kunden – ein Logistikunternehmen – stand vor der Herausforderung, den täglichen Personalbedarf im Lager vorherzusagen. Ohne verlässliche Prognose mussten dort oft kurzfristig teure Leiharbeiter engagiert werden, um Auftragsspitzen abzufangen. In einem Pilotprojekt haben wir unsere KI-Prognosen mit den bisherigen manuellen Schätzungen verglichen. Das Ergebnis: Unsere Vorhersagen waren im Schnitt 30 Prozent genauer. Der Kunde konnte frühzeitig sehen, wann Saisonspitzen oder Flauten anstehen, und seine feste Belegschaft optimal einplanen. In der Hochsaison brauchte er dadurch über zehn externe Aushilfskräfte weniger und konnte trotzdem alle Bestellungen pünktlich ausliefern – ohne Überlastung des Teams. Zu erleben, wie unsere Technologie direkt solche greifbaren Verbesserungen bringt, war ein toller Moment für uns. Dieser Erfolg hat uns bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Wo seht ihr ForesAIght in den nächsten drei bis fünf Jahren? Welche Weiterentwicklungen plant ihr für eure Plattform?
Laura: In drei bis fünf Jahren möchten wir foresAIght.ai als führenden Anbieter für KI-basierte Prognosen im Mittelstand etablieren – nicht nur in NRW, sondern europaweit. Unsere Vision ist, dass präzises Forecasting für kleine und mittlere Unternehmen so selbstverständlich wird wie Buchhaltungssoftware oder CRM-Systeme heute. Dafür werden wir unsere Plattform konsequent weiterentwickeln. Zum einen möchten wir weitere Anwendungsfelder erschließen – über Logistik und Produktion hinaus. Es gibt noch viele Bereiche, in denen genaue Vorhersagen enorme Vorteile bringen, sei es im Energiesektor oder im Handel, und dort wollen wir hin. Zum anderen werden wir technologisch stets am Ball bleiben: Wir integrieren neue KI-Entwicklungen, verbessern unsere Modelle kontinuierlich und denken darüber nach, auch Echtzeit-Prognosen anzubieten, damit Unternehmen wirklich in jedem Moment auf dem neuesten Stand planen können. Außerdem soll unsere Lösung noch einfacher und schneller nutzbar werden. In Zukunft möchten wir den gesamten Prozess für unsere Kunden so weit vereinfachen, dass Prognosen quasi auf Knopfdruck abrufbar sind und sich nahtlos in alle gängigen Unternehmensprozesse integrieren. Kurz gesagt: Wir wollen wachsen – funktional, geografisch und in der Kundenzahl – und dabei unserem Leitsatz treu bleiben: Komplexe KI so aufbereiten, dass jeder Betrieb davon profitiert.
Tipps für Gründende
Was war die wichtigste Lektion, die ihr als Gründende gelernt habt?
Julian: Eine der wichtigsten Lektionen für uns war: Selbst die cleverste KI nützt nichts, wenn sie nicht ein konkretes Problem löst. Man neigt als tech-begeisterter Gründer leicht dazu, sich in der Technologie zu verlieren, aber letztlich muss der Use-Case im Vordergrund stehen. Wir haben früh gelernt, stets von den echten Pain Points der Kunden aus zu denken. Dieses Fokus auf den tatsächlichen Bedarf – also erst das Problem wirklich verstehen und dann die Lösung bauen – hat uns enorm weitergebracht. Sobald wir diesen Produkt-Markt-Fokus verinnerlicht hatten, konnten wir viel gezielter entwickeln und echte Mehrwerte schaffen.
Welche Ratschläge würdet ihr anderen Gründenden mitgeben?
Laura: Mein wichtigster Ratschlag ist: Fokussiert bleiben und pragmatisch handeln. Gerade im KI-Bereich gibt es viele technische Versuchungen, aber nicht jede neue Idee bringt auch direkt Mehrwert für die Kundschaft. Man muss den Mut haben, Aufgaben zu priorisieren und Dinge auch mal bewusst nicht zu tun. Stellt euch immer die Frage: Hilft das jetzt wirklich unserem Produkt – oder nur unserem Ego? Wer das klar beantworten kann, spart Zeit und Ressourcen.
Julian: Und ich würde ergänzen: Redet so früh wie möglich mit eurer Kundezielgruppe. Es bringt nichts, monatelang im stillen Kämmerlein zu entwickeln. Geht raus, testet, validiert – auch wenn’s weh tut. Gerade kritisches Feedback ist wertvoll. Wir haben enorm viel aus Gesprächen mit potenziellen Kunden gelernt – und dabei oft unsere Richtung leicht angepasst. Es lohnt sich, auf echte Probleme zu hören, statt nur technische Brillanz zeigen zu wollen.
Steffen: Für mich liegt die wichtigste Erkenntnis darin, dass technologische Exzellenz allein nicht reicht. Als Gründender trägt man viele Hüte – man ist Entwickler, Verkäufer, Troubleshooter, manchmal auch Motivator. Man sollte sich bewusst machen, dass ein Start-up immer auch ein Lernprozess ist. Man wächst mit den Herausforderungen. Mein Rat wäre also: Habt den Mut, groß zu denken – aber fangt klein und schlau an. Und vergesst dabei nie: Es geht nicht um das coolste Modell, sondern um das beste Ergebnis für eure Kundinnen und Kunden.
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